8,8 cm Flak 41 | Technikgeschichte Brandau (2024)



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8,8cm Flak 41 versusTreibspiegelmunition

DieEntwicklung von Flugabwehrgeschützen wurde von der AbteilungWa.Prüf. 10 des Heereswaffenamtes (im Verlauf des ZweitenWeltkrieges umbenannt in L/Flak) betreut.[1] Laut von Renz nahm dieseAbteilung, in Erwartung größerer Flughöhenfeindlicher Bombergeschwader, kurz nach Beginn des Krieges mit derFirma Rheinmetall-Borsig Kontakt auf, um die Entwicklung einer 8,8 cmFlak mit einer erheblich größeren Reichweite undhöherenV0 in die Wege zu leiten.[2] Nach Hahn hingegenvergab dasHWA zeitgleich (wie üblich) Entwicklungsaufträge andieFirmen Krupp und Rheinmetall, und Rheinmetall setzte sichgegenüberKrupp mit dem besseren Entwurf durch.[3]

8,8 cm Flak 41 | Technikgeschichte Brandau (2)

Abb.1: 8,8 cm Flak 41

DieEntwicklungsarbeit Krupps war aber nicht umsonst, denn auf demeigenen und dem Entwurf von Rheinmetall aufbauend, wurde im Jahr 1941von der Firma Krupp mit der Entwicklung des sogenannten„Gerätes42“ begonnen. Eine 8,8 cm Flak 42 ging jedoch niemals inProduktion, stattdessen wurde der Rohraufbau der Krupp-Entwicklungspäter bei der Flak 41 übernommen und aus demGerät 42entstand die Panzerabwehrkanone (Pak) 43.[4]

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Abb.2: Die 8,8-cm-PaK 43/41 an der Ostfront, 1943

1941konnten von Rheinmetall die Konstruktionspläne der 8,8 cm Flak41 vorgelegt werden. Am 19. März 1942 wurde dann von HitlerderBau einer Nullserie mit 44 Geschützen befohlen. Da dieFertigungeiner 8,8 cm Flak 41 jedoch ca. 100 kg mehr Stahl als die der 8,8 cmFlak 18/36/37 benötigte, wobei auch noch bestimmte Teile ausAluminium gefertigt werden mussten, untersagte Hitler eineweitergehende Serienfertigung.[5] Laut von Renz wurde er bei dieserEntscheidung durch das Speer-Ministerium beeinflusst.[6] –Diebereits fertiggestellten Geschütze der Nullserie der Flak 41sollten auf direkte Anweisung Hitlers vom 21./22. März 1942nurim Heimatgebiet eingesetzt werden.[7] Stattdessen wurde jedoch dieNullserie im März 1943 nach Nordafrika verschifft, um dort alsPak eingesetzt zu werden. – Ca. 50% der Geschützewurdeschon mit ihren Transportschiffen im Mittelmeer versenkt, und dieKanonen, die tatsächlich zum Einsatz kamen, versagten jedochinder ihnen zugedachten Rolle, weil sie noch nicht völligausgereift waren.[8]

Analogzur Veränderung des Herstellungsmaterials derFührungsringe(siehe Artikel zur 8,8cm Flak 18/36/37) wurde auch der Rohraufbauder Flak 41 immer wieder verändert. GemäßdesEntwurfes von 1939 wurden die ersten 152 Rohre der Flak 41 mit einemdreiteiligen Seelenrohr ausgestattet, die folgenden 133 Rohreerhielten ein zweiteiliges, und erst ab März 1944 hatten dieGeschütze dann ein durchgehendes Seelenrohr (erst hierdurchwurden Probleme bei der Verwendung von Munitionshülsen ausStahlbeseitigt).[9]

Dieballistischen Leistungen der 8,8 cm Flak 41 waren derjenigen der 10,5cm Flak 39 überlegen und fast gleich mit denen der 12,8 cmFlak40. Laut von Renz habe es bis in die 1950er Jahre hineininternational kein Geschütz gegeben, das imVerhältnis vonGewicht zu ballistischer Leistung der Flak 41 gleichkam.[10] Zudieser Aussage muss jedoch kritisch angemerkt werden, dass eineVergleichbarkeit der 8,8 cm Flak 41 beispielsweise mit der 10,5 cmFlak 39 im Bereich der ballistischen Leistung nur bei Verwendunggleichartiger Munition gegeben ist. Der grundsätzlicheUnterschied in der Munition aber lag sowohl in der chemischenZusammensetzung der jeweiligen Treibladungen, ihrerGrößeals auch in dem Gewicht der Geschosse begründet: FürdieGranaten der 8,8 cm Flak 41 wurde Guanidin-Pulver alsTreibladungspulver verwendet,[11] für die der 10,5 cm Flak 39Diglykol-Pulver.[12] Der spezifische Gasdruck, der bei derVerbrennung des Treibladungspulvers entsteht, ist bei Guanidin-Pulverhöher als bei Diglykol-Pulver.[13] Gleichzeitig war dieTreibladung der 8,8 cm Flak 41-Munition mit 5,1 kg[14] wesentlichgrößer als beispielsweise die der 8,8 cm Flak18/36/37 mit2,4 kg[15] und fast gleich groß wie die der 10,5 cm Flak 39(5,8 kg).[16] Zusätzlich war die Flakgranate der Flak 41 mit9,4kg um 5,7 kg leichter als die der 10,5 cm Flak 39.[17]

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Abb.3: Schwere 10,5-cm-Flak einer Küstenbatterie

EndeJanuar 1943 begannen die Bombardierungen von Zielen im Reichsgebietdurch die hochfliegenden (8.000 – 8.700 m) amerikanischenBombergeschwader.[18] Die Produktion der 8,8 cm Flak 41 wurdedaraufhin doch wieder aufgenommen.[19] Obwohl die Anzahl dergefertigten Geschütze gering blieb (von April bis Dezember1944wurden 100 Geschütze ausgeliefert; im Februar 1945 befandensichnur 279 8,8 cm Flak 41 im Einsatz)[20], gab esVersorgungsengpässebei der Munition.[21] Diese Versorgungsengpässe warenoffensichtlich auf einen Mangel an Guanidin-Treibladungspulverzurückzuführen, das auch für die Munitionder 8,8 cmPak 43/41, Pak 43 und die der Kampfwagenkanone (Kwk) 43 verwendetwurde.[22]

Eineprinzipielle Möglichkeit zur Umgehung des Guanidin-Mangelsstellte unterkalibrige Munition dar: Laut von Renz wurde ab Anfang1945 von Rheinmetall-Borsig unterkalibrige Munition für allegroßen Kaliber entwickelt.[23] Im C.I.O.S. Report No. XXXI-12wird jedoch eine diesbezügliche DenkschriftRheinmetall-Borsigsfür das OKW vom 26. Mai 1944 erwähnt,[24]möglicherweisehatte die Entwicklungsarbeit also schon vor 1945 begonnen. –Der Begriff unterkalibirge Munition bedeutet, dass z. B. aus 10,5 cmFlak-Rohren Granaten mit dem Kaliber 8,8 cm abgefeuert wurden. DerGasdruck konnte somit seine kinetische Energie besser auf dasProjektil übertragen als es bei herkömmlicherMunition derFall war. Die Folge war, dass das Geschoss das Rohr mit einerwesentlich höheren V0verließ.[25] Wurde z. B.eine 8,8 cm Granate aus der 10,5 cm Flak 39 abgefeuert, so erzielteman eine V0von 1.050 m/sec im Vergleich zu 1.020 m/sec mit der 8,8 cm Flak 41(bei Verwendung von Standardmunition).[26]

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Abb.4: Modernes unterkalibriges Wuchtgeschoss

Inder Frühphase der Entwicklung von unterkalibriger Munitionsetzten die Rheinmetall-Ingenieure noch sogenannte„Treibkäfiggeschosse“ ein(ähnlich derbritischen Entwicklung „sabot cage“).[27] Der„Treibkäfig“ gewährleistete dieAbdichtungzwischen dem Geschoss und der Rohrinnenwand und übertrug denDrall auf das Geschoss. Im Laufe der Entwicklung musste derTreibkäfig jedoch aufgrund der zunehmend schlechterenRohstoffversorgung durch zwei Kunststoffscheiben, den sogenannten„Treibspiegeln“, ersetzt werden. DieseNotlösungfunktionierte jedoch im Vergleich zum Treibkäfig nurunbefriedigend.[28]

Inwieweitdie Gestaltung der Rohrinnenwand bei Verwendung vonTreibspiegelmunition geändert werden musste, bleibt unklar: ImC.I.O.S. Report File No. XXXI-12 wird unter anderem als Ergebnis zurVerwendung von Treibspiegelmunition festgehalten, dass die Verwindungder Züge in der Rohrinnenwand eines Geschützrohresgenerellerhöht werden musste.[29] Dem steht das Fazit des B.I.O.S.FinalReport No. 191 gegenüber, dass die Verwindung derZüge erstab einer Mündungsgeschwindigkeit von ca. 1.260 m / secerhöhtwerden muss.[30]

Fazit:

1.Die Entwicklung der Treibspiegelmunition zeigt, dass Munition eineigenständiges technisches Produkt ist, das auf das jeweiligeGeschütz abgestimmt wird. Die ballistischen Daten einesGeschützes sind also auch wesentlich von der Beschaffenheitderverwendeten Munition abhängig, und damit ziemlich variabel.

2.Der technische und zeitliche Aufwand bei der Entwicklung undFertigung der Treibspiegelmunition sowie die Qualität derbenötigten Werkstoffe im weitesten Sinne(einschließlichdes Treibladungspulvers) waren offensichtlich vergleichsweise geringzu dem Aufwand, der bei Entwicklung und Fertigung der 8,8 cm Flak 41getrieben werden musste. Hinzu kommt, dass für diesesGeschützeine neue Serienfertigung aufgebaut werden musste, wohingegen z. B.für die 10,5 cm Flak 39 lediglich bereits vorhandeneFertigungskapazitäten hätten ausgebaut werdenmüssen.

3.Es war die technische Kreativität der EntwicklungsingenieurevonRheinmetall-Borsig, die unter sich ständig verschlechterndenBedingungen und in kurzer Zeit zu brauchbaren Ergebnissenführte,und eben nicht die Kreativität der Ingenieure desHeereswaffenamtes oder der von Krupp.

Historischer Hintergrund: - Die Aufrüstung der Wehrmacht und Rheinmetalls Wiederaufstieg

- Rheinmetalls Neupositionierung auf dem deutschen Rüstungsmarkt während des Zweiten Weltkrieges

Autor:Christian Brandau - Der Text ist unter der Lizenz„Attribution-NoDerivatives 4.0 International (CCBY-ND 4.0)“ verfügbar

Einzelnachweise:

[1]von Renz, Otto Wilhelm: Deutsche Flug-Abwehr im 20. Jahrhundert–Flak-Entwicklung in Vergangenheit und Zukunft, Berlin / Frankfurt amMain 1960, S. 118.

[2]Ebd., S. 117 – 118.

[3]

a)Hahn, Fritz: Waffen und Geheimwaffen des deutschen Heeres 1933–1945, Bd. 1, Infanteriewaffen, Pionierwaffen, Artilleriewaffen,Pulver, Spreng- und Kampfstoffe, Eggolsheim 2003 (Nachdruck), S. 106.

b)

[4]

a)Ebd., S. 106.

b)Böhm, R. / Kosar, F. / Koch, H.-A. / Magirius, W. / von Renz,O.W. / von Senger und Etterlin, F. M. / Wöhlermann, H. O. /Zschuke, H. (Hrsg. von Senger und Etterlin, F. M.): Die deutschenGeschütze 1939 – 1945, Bonn 1998, S. 66 und 199.

[5]

a)Renz: 1960, S. 119.

b)Senger und Etterlin: 1998, S. 199.

[6]Renz: 1960, S. 119.

[7]Anweisung Hitlers vom 21./22. März 1942, Punkt 15, in:Boelcke,Willi A. (Hg.): Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg–Hitlers Konferenzen mit Albert Speer 1942 – 1945, FrankfurtamMain 1969, S. 84.

[8]

a)Renz: 1960, S. 119 – 120.

b)Senger und Etterlin: 1998, S. 199.

[9]

a)Renz: 1960, S. 118 und 120 – 121.

b)von Senger und Etterlin: 1998, S. 198.

[10]

a)Renz: 1960, S. 119.

b)Senger und Etterlin: 1998, S. 199.

[11]Renz: 1960, S. 139.

[12]Parr, A. / Smith, F.V.: Artillery Design and Development Performed byRheinmetall–Borsig (C.I.O.S. Report File No.XXXI–12),ohne Ort: 01. September 1945, Appendix II, S. 4.

[13]Germershausen, R., 1.3.1.2.1. Zweibasige Pulver, 1.3.1.2.2.Dreibasige Pulver, in: Rheinmetall – WaffentechnischesTaschenbuch, ³1977 Düsseldorf, S. 9 – 11.

[14]Parr, A. / Smith, F.V.: C.I.O.S. Report File No. XXXI–12,Appendix II, S. 3.

[15]Ebd., S. 1.

[16]Ebd., S. 3.

[17]Senger und Etterlin: 1998, S. 212 – 213.

[18]Groehler, Olaf: Geschichte des Luftkrieges 1910 bis 1980, Berlin1981, S. 383 – 385.

[19]

a)Renz: 1960, S. 121.

b)Boelcke, Willi A.: Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg–Hitlers Konferenzen mit Albert Speer 1942 – 1945, FrankfurtamMain 1969, S. 24.

[20]Senger und Etterlin: 1998, S. 199.

[21]

a)Renz: 1960, S. 123.

b)Senger und Etterlin: 1998, S. 199.

[22]

a)1 Anweisung Hitlers vom 17./18. Juli 1943 (F. H. Qu.), Punkt 7, in:Boelcke, Willi A. (Hg.): Deutschlands Rüstung im ZweitenWeltkrieg – Hitlers Konferenzen mit Albert Speer 1942–1945, Frankfurt am Main 1969, S. 281.

b)Senger und Etterlin: 1998, S. 66 – 67.

[23]

a)Ebd., S. 12.

b)Renz: 1960, S. 142.

[24]Parr, A. / Smith, F.V.: C.I.O.S. Report File No. XXXI–12, S.12– 13.

[25]

a)Romer, R., 11.2.3.2. Unterkalibrige Wuchtgeschosse(Treibkäfiggeschosse), in: Rheinmetall –WaffentechnischesTaschenbuch, ³1977 Düsseldorf, S. 472 – 474.

b)Renz: 1960, S. 142.

[26]Ebd., S. 142.

[27]

a)Bunting, N. A. / Garratt, A.J. / Corner, J.: Interrogation of theBallistic Section of Rheinmetall- Borsig(B.I.OS. Final Report No. 191), London: ohne Jahr, S. 16.

b)Romer, R.:11.2.3.2 Unterkalibrige Wuchtgeschosse(Treibkäfiggeschosse), 1977, S. 472 – 474.

[28]Bunting, N. A. / Garratt, A.J. / Corner, J.: B.I.OS. Final Report No.191, S. 16.

[29]Parr, A. / Smith, F.V.: C.I.O.S. Report File No. XXXI–12, S.12.

[30]Bunting, N. A. / Garratt, A.J. / Corner, J.: B.I.OS. Final Report No.191, S. 7.

Bildnachweise:

Abb.1: Von Mark Pellegrini - Eigenes Werk (Picture taken by myself), CCBY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2595449

Abb.2: Von Bundesarchiv, Bild 101I-698-0038-07 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5413421

Abb.3: Von Bundesarchiv, Bild 101I-621-2942-17 / Doege / CC-BY-SA 3.0, CCBY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5413121

Abb.4: Nation/Defense days, Esplanade des Invalides, Paris, France,September 24-25, 2005 – Von David Monniaux –EigenesWerk, CC BY-SA 3.0,https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=499759

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